Tierrechte
Der Grundgedanke der Tierrechte
von Dr. Tom Regan
„Tierrecht“ - ist das nicht das Gleiche wie „Tierschutz“? Oder hat das etwa irgendwas mit Recht im Sinne von Justiz zu tun?
Als Tierschutz werden alle Aktivitäten des Menschen bezeichnet, die dem Ziel dienen, Tieren ein artgerechtes Leben ohne unnötige Leiden, Schmerzen und Schäden zu ermöglichen. In der Politik benennt der Begriff „Tierschutz“ die Gesamtheit der gesetzlichen Maßnahmen zum Schutz von Tieren vor Quälerei, Aussetzung oder Tötung ohne „vernünftigen Grund“. Tierschutz schließt jedoch im allgemeinen Verständnis - im Gegensatz zum Tierrecht - die Nutzung der Tiere nicht aus.
Der Begriff der Tierrechte hingegen bezeichnet die Ansicht, dass Tiere ebenso wie Menschen unveräußerliche Grundrechte haben (wie z.B. das Recht auf Leben, Freiheit und Unversehrtheit) und dass Menschen ethische Grundsätze beim Umgang mit Tieren befolgen sollen. Der amerikanische Philosoph Dr. Tom Regan ist einer der anerkanntesten Vordenker in Sachen Tierrecht. Auszüge seiner Erläuterungen möchten wir an dieser Stelle vorstellen:
Die Position der Tierrechte
Diese anderen Tiere, die von den Menschen gegessen, für die Wissenschaft verwendet, gejagt, in Fallen gefangen und auf vielerlei andere Weise ausgebeutet werden, alle diese Tiere haben ihr eigenes Leben, das für sie, ganz unabhängig von ihrem Nutzen für uns, von Bedeutung ist. Sie sind nicht nur auf der Welt, sie sind sich der Welt bewusst. Was mit ihnen geschieht, ist wichtig für sie. Jedes von ihnen lebt und hat es mit diesem seinem Leben gut oder weniger gut getroffen. Dieses Leben umfasst eine Vielzahl biologischer, individueller und sozialer Bedürfnisse. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse stellt eine Quelle der Freude dar, ihre Einengung oder Missachtung dagegen erzeugt Schmerz. Im Hinblick auf diese grundsätzlichen Fakten sind die nichtmenschlichen Tiere, beispielsweise diejenigen in den Labors und auf den Farmen, den Menschen gleich. Daher müssen der Ethik unseres Umgangs mit ihnen dieselben grundlegenden moralischen Prinzipien zugrunde gelegt werden wie die der Menschen untereinander.
Das Fundament auf dem die menschliche Ethik ruht, ist der eigenständige Wert des Individuums: der moralische Wert eines Menschen darf nicht davon bestimmt werden, wie hilfreich er der Förderung der Interessen anderer Menschen ist. Menschen auf eine Weise zu behandeln, die diesen ihren eigenständigen Wert nicht achtet, heißt, das grundsätzlichste aller Menschenrechte zu verletzen: das Recht eines jedes Menschen mit Achtung behandelt zu werden.
Die Philosophie der Tierrechte verlangt nichts anderes als die Anerkennung dieser Logik. Denn jedes Argument, das in plausibler Weise den eigenständigen Wert des Menschen erklärt, bedeudet gleichzeitig, dass andere Tiere denselben Wert besitzen, und zwar im selben Maße wie die Menschen. Ebenso bedeudet jedes Argument, das in plausibler Weise das Recht des Menschen erklärt, mit Achtung behandelt zu werden, dass die anderen Tiere dasselbe Recht besitzen, auch dieses im selben Maße wie die Menschen.
Es ist daher auch eine Tatsache, dass die Frauen nicht dazu existieren, den Männern zu dienen, die Schwarze nicht dazu den Weißen, die Armen nicht dazu den Reichen, und die Schwachen nicht dazu, den Starken zu dienen. Die Philosophie der Tierrechte erkennt diese Tatsachen nicht nur an, sie besteht auf ihnen und rechtfertigt sie. Doch diese Philosophie geht noch weiter. Indem sie auf den eingenständigen Wert der anderen Tiere und auf deren Rechten besteht und diese rechtfertigt, gibt sie wissenschaftlich untermauerte und moralisch objektive Gründe für die Ablehnung der Meinung, dass diese Tiere dazu existieren, uns zu dienen.
Sobald diese Wahrheit erstmal anerkannt ist, ist es leicht zu verstehen, welhalb die Philosophie der Tierrechte so kompromisslos ist in ihrem Auftreten gegen jede Art von Ungerechtigkeit gegenüber anderen Tieren.
Was die Gerechtigkeit beispielsweise für Tiere verlangt, die in der Wissenschaft benutzt werden, sind nicht grössere und sauberere Käfige, sondern leere Käfige; die Gerechtigkeit verlangt nicht eine "traditionelle" landwirtschafltiche Tierhaltung, sondern das Ende jeglichen Handelns mit dem Fleisch toter Tiere; sie verlangt nicht "menschlichere" Methoden des Jagens und Fallenstellens, sondern die vollständige Ausmerzung dieser barbarischen Praktiken.
Denn einer absoluten Ungerechtigkeit muss man sich absolut entgegenstellen. Was die Gerechtigkeit verlangte, war nicht "reformierte" Sklaverei, "reformierte" Kinderarbeit, "reformierte" Unterwerfung der Frau. In all diesen Fällen war die einzig moralische Antwort die Abschaffung. Die blose Reformierung einer absoluten Ungerechtigkeit bedeutet die Verlängerung der Ungerechtigkeit.
Die Philosophie der Tierrechte fordert dieselbe Verantwortung - Abschaffung – als Reaktion auch auf die ungerechte Ausbeutung anderer Tiere. Nicht Details dieser ungerechten Ausbeutung sind es, die verändert werden müssen. Es ist die ungerechte Ausbeutung selbst, die beendet werden muss, sei es auf den Farmen, in den Labors oder bei den Wildtieren, um nur Beispiele zu nennen. Die Philosophie der Tierrechte verlangt nur dies, sie wird jedoch auch mit nichts Geringerem zufrieden sein.
10 Gründe für Tierrechte und deren Erläuterung
1. Die Philosophie der Tierrechte ist rational.
Erläuterung: Es ist nicht rational, willkürlich zu diskriminieren. Und eine Diskriminierung der nichtmenschlichen Tiere ist willkürlich. Es ist nicht richtig, schwächere Wesen, besonders solche, denen nicht die normale menschliche Intelligenz gegeben ist, als „Werkzeuge“ oder „ersetzbare Ressourcen“ oder „Modelle“ oder „Waren zu behandeln, als wären sie „Werkzeuge“, „Modelle“ u.ä., wenn ihre Psyche doch ebenso reich ist wie die der Menschen (oder gar reicher). Anders darüber zu denken wäre irrational.
„Ein Tier als ein physisch-chemisches System von enormer Komplexität zu beschreiben, ist ohne Zweifel vollkommen korrekt, nur dass dabei das „typisch tierische“ des Tieres vergessen wird.“
E.F. Schumacher
2. Die Philosophie der Tierrechte ist wissenschaftlich.
Erläuterung: Die Philosophie der Tierrechte respektiert allgemein das Beste, was unsere Wissenschaft zu bieten hat und besonders die Evolutionsbiologie. Die letztere lehrt, dass, um mit Darwin zu sprechen, der Unterschied zwischen den Menschen und vielen anderen Tieren nur ein Unterschied „des Grades und nicht der Sache“ ist. Lassen wir das Ziehen von Grenzen einmal beiseite, so wird es offensichtlich, dass die Tiere, die beispielsweise in Labors benutzt, zu Nahrungszwecken aufgezogen, zum Vergnügen gejagt oder für den Profit in Fallen gefangen werden, in phsychischer Hinsicht unsere Verwandten sind. Das ist keine Phantasie, es ist eine Tatsache, bewiesen von unseren besten Wissenschafltlern.
„Was ihre mentalen Fähigkeiten angeht, so besteht zwischen den Menschen und den höher entwickelten Säugetieren kein Fundamentaler Unterschied.“
Charles Darwin
3. Die Philosophie der Tierrechte ist frei von Vorurteilen.
Erläuterung: Rassisten sind Menschen, die glauben, dass die Mitglieder ihrer Rasse denen anderer Rassen überlegen sind, einfach weil die Ersteren zu ihrer eigenen (der „höherwertigen“) Rasse gehören. Sexisten glauben, dass die mitglieder ihres Geschlechts denen des anderen Geschlechts überlegen sind, einfach weil die Ersteren zu ihrem eigenen (dem „höherwertigen“) Geschlecht gehören. Sowohl der Rassismus als auch der Sexismus stellen Beispiele einer Selbstgerechtigkeit dar, die nicht unterstützt werden darf. Es gibt weder Geschlechter noch Rassen, die „höherwertiger“ oder „minderwertiger“ sind. Die Unterschiede zwischen den Rassen und Geschlechtern sind biologischer und nicht moralischer Art.
Dasselbe gilt für den Speziesismus – der Meinung, dass die Mitglieder der Spezies Homo Sapiens denen aller Übrigen Spezies überlegen sind, einfach weil die Menschen ihrer eigenen (der „höherwertigeren“) Spezies angehören. Denn es gibt keine „höherwertigere“ Spezies. Anders darüber zu denken hieße, ebensolche Vorurteile zu haben, wie die Rassisten oder Sexisten sie haben.
„Wenn man das Töten zum Zwecke des Fleischessens rechtfertigen kann, dann kann man auch die Bedingungen in einem Ghetto rechtfertigen. Ich kann beides nicht rechtfertigen.“
Dick Gregory
4. Die Philosophie der Tierrechte ist gerecht.
Erläuterung: Die Gerechtigkeit stellt den höchsten Grundsatz der Ethik dar. Wir dürfen nicht, um etwas Gutes zu erreichen, Ungerechtigkeiten ausüben oder zulassen; wir dürfen nicht, um Vielen zu nützen die Rechte Weniger verletzen. Die Sklaverei hat dies zugelassen. Die Kinderarbeit hat es zugelassen. Die meisten Arten der sozialen Ungerechtigkeit lassen es zu. Nicht so die Philosophie der Tierrechte, deren höchster Grundsatz die Gerechtigkeit ist: niemand hat das Recht, Nutzen zu ziehen aus der Verletzung der Rechte anderer, seien diese „anderen“ nun Menschen oder andere Tiere.
„Die Gründe für das rechtliche Vorgehen im Sinne der Kinder gelten nicht weniger im Falle dieser unglücklichen Sklaven – der (anderen) Tiere.“
John Stuart Mill
5. Die Philosophie der Tierrechte ist eine Philosophie des Mitgefühls.
Erläuterung: Ein erfülltes menschliches Leben verlangt Einfühlungsvermögen und Mitleid – in einem Wort, Mitgefühl – gegenüber den Opfern von Ungerechtigkeit, seien diese Opfer nun Menschen oder andere Tiere. Die Philosophie der Tierrechte fordert die Tugend des Mitgefühls, und die Anerkennung dieser Philosophie fördert diese Tugend. Diese Art der Philosophie ist in den Worten Lincolns „das, was einen vollkommenen Menschen ausmacht“.
„Gelebtes Mitgefühl ist vielleicht diese wundervolle Möglichkeit, unseren überfüllten, verschmutzten Planeten zu schützen...“
Victoria Moran
6. Die Philosophie der Tierrechte ist uneigenützig.
Erläuterung: Die Philosophie der Tierrechte fordert ein Engagement im Dienste der Schwachen und Verletzlichen – im Dienste derer, die, seien es nun Menschen oder andere Tiere, nicht die Möglichkeit haben, für sich selbst sprechen oder sich selbst verteidigen zu können, und die des Schutzes vor der menschlichen Gier und Gefühllosigkeit bedürfen. Diese Philosophie fordert ein solches Engagement, und sie tut dies nicht, weil es in unserem eigenen Interesse wäre, sondern weil es richtig ist. Diese Art der Philosophie fordert daher eine uneigennützige Unterstützung, und die Anerkennung dieser Philosophie fördert eine ebensolche Art der Unterstützung.
„Wir brauchen eine moralische Philosophie, in der das Konzept der Liebe, welches heutzutage von den Philosophen so selten erwähnt wird, wieder ein zentrales Thema darstellt.“
Iris Murdoch
7. Die Philosophie der Tierrechte ist etwas, das den Einzelnen erfüllt.
Erläuterung: All die großen Traditionen der Ethik, sowohl der sekularen als auch der religiösen, unterstreichen die Bedeutung der folgenden vier Dinge: Wissen, Gerechtigkeit, Mitgefühl und Selbstbestimmung. Die Philosophie der Tierrechte macht dabei keine Ausnahme. Diese Philosophie lehrt, das unsere Entscheidungen auf Wissen beruhen, dem Mitgefühl und der Gerechtigkeit Ausdruck verleihen und freiwillig getroffen werden sollten. Es ist nicht leicht, diese Tugenden zu erreichen und den menschlichen Hang zu Gier und Gleichgültigkeit zu steuern. Ein vollkommenes menschliches Leben ist jedoch ohne sie nicht möglich. Die Philosophie der Tierrechte fordert die Selbstverwirklichung für den Einzelnen, und die Anerkennung dieser Philosophie fördert eine solche Selbstverwirklichung.
„Menschlichkeit ist kein totes, von aussen erteiltes Gebot, sondern ein lebendiger Impuls, der von innen kommt; sie bedeutet nicht Selbstaufopferung, sondern Selbstverwirklichung.“
Henry Salt
8. Die Philosophie der Tierrechte ist sozial fortschrittlich.
Erläuterung: Das grösste Hindernis für das Florieren der menschlichen Gesellschaft stellt die Ausbeutung anderer Tiere durch die Hand des Menschen dar. Dies gilt für die ungesunde Ernährung, für das gewohnheitsmässige Vertrauen auf das „ganzheitliche Tiermodell“ in der Wissenschaft und für die vielen anderen Formen, die die Ausbeutung der Tiere annimmt. Und es gilt ebenso für beispielsweise die Erziehung und die Werbung, die mit dazu beitragen, die menschliche Psyche gegenüber den Forderungen der Vernunft, der Unvoreingenommenheit, des Mitgehühls und der Gerechtigkeit abzustumpfen. Auf all diese (und weitere) Arten bleiben die Nationen zutiefst rückständig, weil sie es versäumen, den wahren Interessen ihrer Bürger zu dienen.
„Die Grösse und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt.“
Mahamatma Ghandi
9. Die Philosophie der Tierrechte ist eine Philosophie im Sinne der Umwelt.
Erläuterung: Die Hauptursache für die Schädigung der Umwelt, einschliesslich beispielsweise des Treibhauseffektes, der Wasserverschmutzung und des Verlustes an sowohl Ackerland als auch Mutterboden, besteht in der Ausbeutung der Tiere. Dasselbe gilt für das gesamte breite Spektrum an Umweltproblemen, vom sauren Regen und der Einleitung giftiger Abfälle in die Ozeane bis hin zur Luftverschmutzung und der Zerstörung der natürlichen Lebensräume. Für all diese Fälle gilt, das ein Handeln zum Schutz der betroffenen Tiere (die schliesslich die Ersten sind, die leiden und durch diese Umweltprobleme ihr Leben verlieren) ein Handeln zum Schutz der Erde ist.
„Solange wir nicht ein Gefühl der Verwandtschaft zwischen unserer eigenen Spezies und jenen anderen Sterblichen entwickeln, die mit uns die Schatten- und die Sonnenseiten des Lebens auf diesem gequälten Planeten teilen, gibt es keine Hoffnung für andere Spezies, keine Hoffnung für die Umwelt und keine Hoffnung für uns selbst.“
Jon Wynne-Tyson
10. Die Philosophie der Tierrechte ist friedliebend.
Erläuterung: Die Grundlegende Forderung der Philosophie der Tierrechte ist die nach einer Behandlung der Menschen und der anderen Tieren mit Achtung. Um dies umzusetzen, ist es erforderlich, dass wir niemanden einfach nur deshalb schaden, um für uns selbst oder andere einen Nutzen daraus ziehen. Diese Philosophie lehnt daher militärische Agressionen vollkommen ab. Es ist eine Philosophie des Friedens. Doch es ist auch eine Philosophie, die die Forderung nach Frieden über die Grenzen unserer eigenen Spezies hinausträgt. Denn täglich wird ein Krieg geführt, ein Krieg gegen zahllose Millionen nicht-menschlicher Tiere. Aufrichtig für den Frieden einzustehen, heisst, entschlossen den Speziesismus abzulehnen. Zu glauben, dass es „Frieden auf der Welt“ geben könnte, wenn wir es nicht schaffen, uns friedlich gegenüber den anderen Tieren zu verhalten, ist bloses Wunschdenken.
„Sollte durch irgendein Wunder in all unseren Kämpfen der Erde der nukleare Holocaust erspart bleiben, wird nur Gerechtigkeit gegenüber allen lebenden Wesen die Menschheit retten können.“
Alice Walker
Zehn Gründe gegen Tierrechte und die Antworten darauf
1. Ihr setzt die Tiere den Menschen gleich, wo sie sich doch so sehr voneinander unterscheiden.
ANTWORT: Wir sagen nicht, dass Menschen und andere Tiere sich in jeder Hinsicht gleichen. So sagen wir beispielsweise nicht, dass Hunde und Katzen Integralrechnung ausführen oder Schweine und Kühe sich an Poesie erfreuen könnten.Was wir sagen, ist, dass viele andere Tiere, ebenso wie die Menschen, mit einer Psyche ausgestattete Wesen sind, die aus ihren eigenen Erfahrungen lernen, was gut für sie ist. Dies haben sie und wir gemeinsam. In dieser Hinsicht sind sie und wir daher, trotz all unserer Unterschiede, gleich.
2. Ihr sagt, dass alle Menschen und alle anderen Tiere dieselben Rechte haben, was absurd ist. Hühner können nicht das Recht haben zu wählen, und Schweine können kein Recht auf höhere Bildung haben.
ANTWORT:Wir sagen nicht, dass die Menschen und die anderen Tiere immer dieselben Rechte haben. Nicht einmal alle Menschen haben dieselben Rechte. So haben beispielsweise Menschen mit schweren geistigen Schäden kein Recht auf höhere Bildung.Was wir sagen, ist, dass sowohl diese als auch die anderen Menschen mit den anderen Tieren ein grundsätzliches moralisches Recht teilen - nämlich das Recht, mit Achtung behandelt zu werden.
3. Wenn Tiere Rechte haben, so gilt dies auch für Gemüse, und das ist absurd.
ANTWORT: Viele Tiere sind wie wir: sie lernen aus ihren eigenen Erfahrungen, was gut für sie ist. Ebenso wie wir haben diese Tiere daher das Recht, mit Achtung behandelt zu werden. Andererseits haben wir keine Ursache, und ganz sicher keine wissenschaftlich belegte, zu glauben, dass beispielsweise Mohrrüben und Tomaten über eine Ausstrahlung verfügen, die uns das Vorhandensein einer Psyche vermuten ließe. Ebenso wie alle anderen Gemüsesorten weisen auch Mohrrüben und Tomaten nichts auf, was mit einem Gehirn oder einem Zentralnervensystem vergleichbar wäre. Da ihnen diese Merkmale fehlen, gibt es keinen Grund, Gemüse als mit einer Psyche ausgestattete Wesen anzusehen, die in der Lage wären, beispielsweise Freude oder Schmerz zu empfinden. Daher kann man vernünftigerweise Tieren Rechte zusprechen, während man sie dem Gemüse abspricht.
4. Wo soll man die Grenze ziehen? Wenn Primaten und Nagetiere Rechte haben, dann gilt das auch für Schnecken und Amöben, und das ist absurd.
ANTWORT: Es ist häufig nicht einfach zu entscheiden,wo genau man „die Grenze ziehen“ soll. So können wir zum Beispiel nicht genau sagen, wie alt jemand sein muss, um alt, oder wie groß jemand sein muss, um groß zu sein. Dennoch können wir mit Gewissheit sagen, dass jemand, der 88 Jahre alt ist, ein alter Mensch, und dass jemand, der 2,16 m groß ist, ein großer Mensch ist. Ebenso können wir nicht mit Exaktheit sagen, wo man die Grenze ziehen soll, wenn es um die Tiere geht, die eine Psyche besitzen. Und dennoch können wir mit absoluter Sicherheit sagen, dass, wenn diese Grenze auf der Basis wissenschaftlicher Gründe gezogen wird, sich Primaten und Nagetiere auf der einen Seite dieser Grenze (der Seite der Psyche), die Schnecken und Amöben hingegen auf der anderen Seite befinden, was jedoch nicht heißt, dass wir Letztere gedankenlos töten dürfen.
5. Aber nun gibt es doch ganz sicher einige Tiere, die Schmerz empfinden können, die jedoch keine psychische Identität besitzen, die auf einem zentralen Nervensystem beruht. Da diese Tiere nicht das Recht haben, mit Achtung behandelt zu werden, lässt sich aus der Philosophie der Tierrechte für diesen Fall ableiten, dass wir solche Tiere behandeln können, wie immer es uns gefällt.
ANTWORT: Es trifft zu, dass einige Tiere, zum Beispiel Garnelen und Muscheln, möglicherweise Schmerz empfinden können, jedoch kaum eine der übrigen psychischen Fähigkeiten aufweisen.Wenn dies so ist, dann stehen ihnen einige der Rechte, die andere Tiere besitzen, nicht zu. Dennoch kann es keine moralische Rechtfertigung dafür geben, irgendeinem Wesen unnötigerweise Schmerz zuzufügen. Und da es nun einmal nicht nötig ist, dass Menschen Garnelen, Muscheln und ähnliche Tiere essen oder sie auf andere Weise nutzen, kann es auch keine moralische Rechtfertigung dafür geben, ihnen den Schmerz zuzufügen, der mit einer solchen Nutzung unweigerlich verbunden ist.
6. Die Tiere achten unsere Rechte nicht. Daher haben wir Menschen auch nicht die Pflicht, die Rechte der Tiere zu achten.
ANTWORT: Es gibt viele Situationen, in denen ein Individuum, das Rechte besitzt, nicht in der Lage ist, die Rechte anderer zu berücksichtigen. Dies gilt für Säuglinge, kleine Kinder sowie für geisteskranke und geistesschwache Menschen. Im Falle dieser Menschen sagen wir nicht, dass es richtig wäre, uns ihnen gegenüber respektlos zu verhalten, nur, weil sie unsere Rechte nicht achten. Ganz im Gegenteil, wir erkennen sogar an, dass es unsere Pflicht ist, ihnen mit Achtung zu begegnen, obwohl sie selbst nicht verpflichtet sind, uns ebenso zu behandeln. Was für solche Fälle wie die der Säuglinge, der Kinder und der anderen erwähnten Menschen gilt, gilt nicht weniger für die anderen Tiere. Es ist wahr, dass sie nicht die Pflicht haben, unsere Rechte zu respektieren. Dies enthebt uns jedoch nicht der Pflicht, ihre Rechte zu achten, oder verringert diese Pflicht auch nur.
7. Gott hat den Menschen die Herrschaft über die anderen Tiere gegeben. Daher können wir ihnen alles antun, was uns gefällt, und wir können sie daher auch essen.
ANTWORT: Nicht in allen R e l i g i o n e n werden die Menschen so dargestellt, dass sie die „Herrschaft“ über die anderen Tiere haben, und selbst bei den Religionen, bei denen dies der Fall ist, sollte „Herrschaft“ als selbstloser Schutz und nicht als selbstsüchtige Macht verstanden werden. Die Menschen müssen gegenüber sämtlichen Geschöpfen ebenso liebevoll sein, wie Gott es war, als er sie schuf. Würden wir die Tiere heute so lieben, wie es die Menschen im Garten Eden getan haben, dann würden wir sie nicht essen. Diejenigen, die die Rechte der Tiere achten, sind auf der Reise zurück zum Garten Eden – einer Reise zurück zu einer wahren Liebe für Gottes Schöpfung.
8. Nur die Menschen haben eine unsterbliche Seele. Das gibt uns das Recht, die anderen Tiere so zu behandeln, wie es uns gefällt.
ANTWORT: Viele Religionen lehren, dass alle Tiere, und nicht nur die Menschen, eine unsterbliche Seele haben. Doch selbst, wenn nur die Menschen unsterblich wären, so wäre dies nur ein Beweis dafür, dass wir für immer leben, während die anderen Tiere dies nicht tun. Und diese Tatsache (sofern es eine solche ist) würde es mehr und nicht etwa weniger zu unserer Pflicht machen sicherzustellen, dass dieses Leben – das einzige, das die anderen Tiere besitzen – so lang und so gut wie nur irgend möglich ist.
9. Wenn wir die Rechte der Tiere achten und sie nicht essen oder auf andere Weise ausbeuten, was sollen wir dann mit all diesen Tieren tun? Sie würden dann sehr bald durch unsere Straßen laufen und in unsere Häuser kommen.
ANTWORT: Allein in den Vereinigten Staaten werden jedes Jahr etwa zehn Milliarden Tiere zu Nahrungszwecken aufgezogen und geschlachtet. Der Grund für diese überraschend hohe Zahl ist ein ganz einfacher: es sind Konsumenten da, die sehr hohe Mengen an Tierfleisch essen. Das Angebot an Tieren entspricht der Nachfrage durch die Käufer. Für den Fall jedoch, dass die Philosophie der Tierrechte siegt – und die Menschen vegetarisch leben –, müssen wir keineswegs fürchten, dass Milliarden von Kühen mitten in unseren Städten oder in unseren Wohnzimmern grasen oder ebenso viele Schweine dort ihre Mahlzeit abhalten. Sobald der finanzielle Anreiz für die Aufzucht von Milliarden dieser Tiere schwindet, werden diese Milliarden von Tieren einfach nicht mehr da sein. Dasselbe gilt für die anderen Fälle, zum Beispiel für die Tiere, die für die Forschung gezüchtet werden. Wenn die Philosophie der Tierrechte sich durchsetzt – und diese Art der Nutzung der Tiere ein Ende findet –, wird auch kein finanzieller Anreiz für das Züchten von Millionen dieser Tiere mehr gegeben sein.
10. Selbst, wenn die anderen Tiere moralische Rechte besitzen und geschützt werden sollten, so gibt es doch wichtigere Dinge, die unsere Aufmerksamkeit verlangen, zum Beispiel der Hunger auf der Welt, der Kindesmissbrauch, die Apartheid, Drogen, Gewalt gegen Frauen und das Leid der Obdachlosen. Zuerst müssen wir uns um diese Probleme kümmern, danach können wir an die Rechte der Tiere denken.
ANTWORT: Die Tierrechtsbewegung ist Teil der Menschenrechtsbewegung und nicht von dieser isoliert. Dieselbe Philosophie, die auf den Rechten der nicht-menschlichen Tiere beharrt und diese verteidigt, beharrt auch auf den Rechten der Menschen und verteidigt diese. In der Praxis besteht sogar die Entscheidung, die gedankenvolle Menschen zu treffen haben, nicht in der Frage, ob sie den Menschen oder den anderen Tieren helfen sollen. Man kann beides tun. Wir müssen beispielsweise ebenso wenig Tiere essen, um den Obdachlosen zu helfen, wie wir, um Kindern zu helfen, Kosmetik benutzen müssen, die an Tieren getestet wurde. Es ist sogar so, dass Menschen, die die Rechte der nicht-menschlichen Tiere achten, indem sie sie nicht essen, gesünder sind, was sie wiederum in die Lage versetzt, den Menschen besser helfen zu können.